Die Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz ist ein politisches Entscheidungs- und Planungsinstrument des Bundes und der Länder, das eine risiko- und bedarfsorientierte Vorsorge- und Abwehrplanung im Zivil- und Katastrophenschutz ermöglicht.

Die Risikoanalyse ist zentraler Bestandteil des Risikomanagements im Bevölkerungsschutz der Bundesrepublik Deutschland. Die Bundesregierung hat 2009 die Risikoanalyse im Zivilschutz- und Katastrophenhilfegesetz, § 18 (ZSKG) gesetzlich verankert: Der Bund erstellt im Zusammenwirken mit den Ländern eine bundesweite Risikoanalyse für den Zivilschutz. Das Bundesministerium des Innern unterrichtet den Deutschen Bundestag über die Ergebnisse der Risikoanalyse nach Satz 1 ab 2010 jährlich.

Mit der vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) erarbeiteten Methode der Risikoanalyse können im deutschen System des Bevölkerungsschutzes erstmals Risiken strukturiert erfasst und miteinander verglichen werden. Bislang fehlte bei der Bestimmung der Risiken die Ermittlung von Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensausmaß, welche erst belastbare Entscheidungsgrundlagen für Maßnahmen des Risiko- und Krisenmanagements schaffen.

Grundlagen der Risikoanalyse

Die Methode für die Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz ist kompatibel mit den von der Europäischen Kommission und Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erstellten Leitlinien und geht von vergleichbaren Risikobegriffen aus.

Von Europäische Kommission wurden im Zusammenwirken mit den Mitgliedstaaten Leitlinien zur Risikoanalyse und Risikokartierung für das Katastrophenmanagement erarbeitet.

Die OECD erarbeitete ein Rahmenkonzept zur katastrophenbezogenen Risikoabschätzung und Risikofinanzierung, die die Risikoanalyse als Grundlage eines umfassenden Risikomanagements enthält.

Die Risikoanalyse als Teil des Risiko- und Krisenmanagement-Kreislaufes

Das Risiko- und Krisenmanagements ist ein kontinuierlicher Prozess, der sich aus den Schritten Identifizierung, Analyse, Bewertung und Behandlung von Risiken zusammensetzt. Die Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz liefert die Grundlage für die Entscheidung über mögliche präventive Maßnahmen des Bevölkerungsschutzes und die Basis für ein Krisenmanagement im konkreten Ereignisfall.

Ziel der Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz ist die Erstellung eines möglichst umfassenden, vergleichenden Überblicks über die unterschiedlichen Gefahren und Ereignisse in Bezug auf ihre Eintrittswahrscheinlichkeit und das damit verbundene, zu erwartende Schadensausmaß. Auf Grundlage eines solchen Risiko-Portfolios kann dann im Rahmen des Risikomanagements geprüft werden, ob die vorhandenen Fähigkeiten zum Schutz der Bevölkerung und ihrer Lebensgrundlagen angemessen sind, ob ggf. Handlungsbedarf für notwendig erkannte Maßnahmen besteht. Darüber hinaus sollen die Ergebnisse der Risikoanalysen für eine angemessene Risikokommunikation zwischen den Akteuren im Bevölkerungsschutz und mit der Bevölkerung verwendet werden. Der Deutsche Bundestag wird ab 2010 jährlich über die Ergebnisse der Risikoanalyse unterrichtet.

Für den Bevölkerungsschutz sind die Ergebnisse der Risikoanalyse in Beziehung zu den ebenfalls noch nicht abschließend definierten Schutzzielen (Angestrebter Zustand eines Schutzguts, der bei einem Ereignis erhalten bleiben soll) zu bringen, um feststellen, ob der Bevölkerungsschutz in Deutschland für alle zu erwartenden Schadenslagen hinreichend dimensioniert und vorbereitet ist oder ob für Bund, Länder und Kommunen Handlungsbedarf besteht.

Durchgeführte Risikoanalysen

Seit dem Jahr 2012 wurden die folgende Risikoanalysen durchgeführt:

Risikobewertung

Die Risikobewertung befasst sich mit den folgenden Fragestellungen:

  • in welchem Ausmaß wird ein zuvor definiertes Schutzziel im Falle des untersuchten Ereignisses erreicht,
  • welches verbleibende Risiko ist akzeptabel und
  • welche Maßnahmen zur Minimierung der ermittelten Schadensauswirkungen können oder müssen ergriffen werden.

In diesen Entscheidungsprozess fließen gesellschaftliche Werte und die jeweilige Risikoakzeptanz mit ein.

Ein übergeordnetes Ziel der Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz ist die vergleichende Gegenüberstellung verschiedener Risiken durch unterschiedliche Gefahren in einer Risikomatrix als Grundlage für Planungen im Bevölkerungsschutz. In der Risikomatrix werden die unterschiedlichen Ergebnisse der Risikoanalysen visualisiert. Sie entspricht dem internationalen Standard ISO 31010, 2009 (S. 82).

Die Risikomatrix enthält für die Eintrittswahrscheinlichkeit und das Schadensausmaß jeweils eine fünfstufige Klassifizierung, die bei den erstellten Risikoanalysen zur Anwendung kommt.

Beispielhafte Klassifizierung der Eintrittswahrscheinlichkeit:

  • A: sehr unwahrscheinlich = 1 × in > 10.000 Jahren
  • B: unwahrscheinlich = 1 × in 1.000 bis 10.000 Jahren
  • C: bedingt wahrscheinlich = 1 × in 100 bis 1.000 Jahren
  • D: wahrscheinlich = 1 × in 10 bis 100 Jahren
  • E: sehr wahrscheinlich = 1 × in < 10 Jahren

Bezüglich des Schadensausmaßes werden die folgende Schutzgüter, Mensch, Umwelt, Wirtschaft, Versorgung und Immateriell unterschieden und jeweils in 5 Schadenswerte unterteilt, für das Schutzgut Mensch wird angesetzt:

  • A: ≤ 10 Tote
  • B: > 10 – 100 Tote
  • C: > 100 – 1.000 Tote
  • D: > 1.000 – 10.000 Tote
  • E: > 10.000 Tote.

Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe kommt im „Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2017“ über die bisher durchgeführten Risikoanalysen zu folgender Gesamtbewertung:

  • Das Ergebnis der Risikoanalyse "Pandemie durch Virus Modi-SARS" zeigt, dass bei fast allen betrachteten Schutzgütern (Mensch, Volkswirtschaft und Immateriell) die größten Schäden hervorgerufen werden.
  • Das Ereignis "Wintersturm" ruft insgesamt den größten Schaden im Schutzgutbereich Umwelt hervor.
  • Die analysierten Naturereignisse weisen gegenüber den Technik-bezogenen Ereignissen "Freisetzung radioaktiver Stoffe aus einem Kernkraftwerk" und "Freisetzung chemischer Stoffe" höhere Gesamtschäden aus.

Gefahrenanalyse in der Risikoanalyse auf Bundesebene

Die Risikoanalyse auf Bundesebene soll nur solche Gefahren berücksichtigen, die eine potentielle Bundesrelevanz haben, d. h. bei deren Bewältigung der Bund in besonderer Weise im Rahmen seiner (grund-)gesetzlichen Verantwortung gefordert sein kann.

Auswahl von Gefahren und Ereignissen mit potentieller Bundesrelevanz:

  • Außergewöhnliches Seuchengeschehen (z. B. Pandemie/Epidemie)
  • Beeinträchtigung/Ausfall von kritischen Infrastrukturen (KRITIS)
  • Dürre
  • Ereignisse durch Pflanzenpathogene und Schädlinge
  • Extraterrestrische Gefahren (Sonnensturm, Meteoriteneinschlag, Weltraumschrott)
  • Freisetzung von biologischen Stoffen
  • Freisetzung von chemischen Stoffen
  • Freisetzung von radioaktiven Stoffen
  • Hitzeperiode
  • Hochwasser
  • Kälteperiode
  • Niedrigwasser
  • Seismische Ereignisse (natürlich oder induziert, z. B. durch Bergbau)
  • Starkniederschlag (Regen, Schnee etc.)
  • Sturm
  • Sturmflut
  • Tierseuchen
  • Wildfeuer (Waldbrand, Moorbrand, Heidebrand).

Bundesministerium des Innern, 2009: "Kritische Infrastrukturen (KRITIS) sind Organisationen und Einrichtungen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen eintreten würden."

KRITIS-Sektoren: Energie, Informationstechnik und Telekommunikation, Transport und Verkehr, Gesundheit, Wasser, Ernährung, Finanz- und Versicherungswesen, Staat und Verwaltung, Medien und Kultur.

Entwicklung auf europäischer Ebene

Für einen Gemeinschaftsrahmen zur Katastrophenverhütung in der EU entwickelte die EU-Kommission 2009 gemeinsam mit den Mitgliedstaaten Empfehlungen zu Methoden der Kartierung, Abschätzung und Analyse von Risiken. Hierzu zählen Leitlinien Europäische Kommission zur Risikoanalyse und Risikokartierung für das Katastrophenmanagement. Im Mai 2017 legte die Europäische Kommission einen Bericht über die in den 28 Mitgliedstaaten und 6 Nicht-Mitgliedsstaaten durchgeführten Risikoanalysen vor (Overview of Natural and Man-made Disaster – Risks the European Union may face). Er gibt einen Überblick über die Risikolandschaft in Europa und zeigt gleichzeitig Trends zur Herangehensweise im Umgang mit Risiken in den europäischen Staaten auf.

Es wurden 11 Gefahren identifiziert, die von den 34 beteiligten Staaten am häufigsten Gegenstand ihrer jeweiligen Risikobewertungen waren (In Klammern: Anzahl der Staaten, die die entsprechende Risikoanalyse durchgeführt haben):

  • Überschwemmungen (30)
  • extreme Wetterlagen (26)
  • Waldbrände (24)
  • Erdbeben (19)
  • Pandemien (23)
  • epizootische Tierseuchen/Pflanzenkrankheiten (17)
  • Industrieunfälle (26)
  • Störungen Kritischer Infrastrukturen (24)
  • nukleare bzw. radiologische Unfälle (23)
  • Cyberkriminalität (14)
  • Terrorismus (17).

Weblinks

  • [www.bbk.bund.de/risikoanalyse Risikoanalysen Kreise und kreisfreie Städte] beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe

Einzelnachweise


Mediathek Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz BBK

Das Risikomanagement im Bevölkerungsschutz des Kantons Zürich

Die 7 Schritte des Risikomanagements Risk management, Home decor

Wie macht man eine Risikoanalyse? YouTube

quintessenz Instrumente Risikoanalyse